Yin und Yang von IT und Sales
Zuhause am Küchentisch war IT ein Dauerthema. Anne Kleins Vater, ein leidenschaftlicher IT-Experte, gründete die agorum Software GmbH, ein Unternehmen, das sich auf die Digitalisierung von Geschäftsprozessen spezialisiert. Obwohl Anne früh von der IT-Welt fasziniert war, verfolgte sie ihren ursprünglichen Plan und begann eine Banklehre. Dort entdeckte sie schnell ihre Affinität für den Vertrieb, was ihr große Karrieresprünge und leitende Positionen im Bankwesen ermöglichte. Zunächst war es für sie undenkbar, für die Firma ihres Vaters und dessen Partner zu arbeiten.
Liebe Anne, agorum hat im November 2023 großes 25-jähriges Jubiläum gefeiert. Du hättest theoretisch direkt in das Unternehmen, das dein Vater gegründet hat, einsteigen können. Warum hast du dich zunächst einmal dagegen entschieden?.
Das war nie wirklich ein Thema. Obwohl wir zuhause oft über die IT-Leidenschaft und Expertise meines Vaters gesprochen haben und ich bei der Firmengründung am Küchentisch dabei war, lag der Gedanke für mich damals fern. Der Unternehmensschwerpunkt lag ursprünglich anders: agorum startete als Handelsplattform und war damit ein Pionier auf diesem Gebiet, doch dann platzte die Dotcom-Blase.
Mein Vater und sein Partner kehrten zu ihren freiberuflichen Tätigkeiten als IT-Experten zurück und stellten fest, dass viele Unternehmen ein gemeinsames Problem hatten: Sie benötigten digitale Lösungen für ihre Dokumente, effiziente Ablageprozesse und definierte Zugriffsrechte für mehrere Mitarbeiter. Insbesondere ein Versicherungsunternehmen zeigte den hohen Bedarf an einer DMS/ECM-Softwarelösung.
„Nach der Arbeit setzen die beiden sich täglich zusammen und
entwickelten eine neue Softwarelösung.“
Dann haben sie die Handelsplattform zugunsten des neuen Projekts komplett aufgegeben?
Nach dem Crash der Dotcom-Blase war klar, dass es mit der Handelsplattform zumindest vorerst nicht weitergehen würde. Nach der Arbeit setzten die Beiden sich täglich zusammen und entwickelten eine neue Softwarelösung. Sie haben das Dokumentenmanagementsystem zunächst als proprietäre (geschlossene) Software angeboten.
Das heißt sie sind tagsüber einer freiberuflichen Vollzeittätigkeit nachgegangen und haben nach Feierabend weitergearbeitet am Dokumentmanagementsystem für agorum? Wow! Ihr habt keine Investoren? Alles Selfmade als Sidepreneure aufgebaut?
Ja, wir sind komplett unabhängig und eigenfinanziert. Alles was agorum heute ausmacht haben sich mein Vater und sein Partner hart erarbeitet.
Wie viele Mitarbeiter seid ihr?
Wir sind derzeit 25 Mitarbeiter, aber wir wachsen kontinuierlich und mittlerweile auch recht schnell.
„Wir finanzieren uns selbst und wachsen aus eigener Kraft.“
Wie hoch ist euer Umsatz?
Derzeit liegt unser Jahresumsatz bei etwa 2,7 Millionen Euro und steigt ebenfalls an. Im Vergleich zu unseren Wettbewerbern sind wir noch relativ klein, aber wie gesagt, wir finanzieren uns selbst und wachsen aus eigener Kraft, während unsere Wettbewerber große Investoren im Rücken haben.
Ich ziehe meinen Hut. Was hat dich letztendlich veranlasst doch bei agorum einzusteigen?
Die Zeit dafür war wohl einfach reif. Nachdem ich mehrere Bankfilialen geleitet, parallel studiert und mich kontinuierlich weitergebildet hatte, sowie zwischendurch drei Jahre lang intern in der IT der Bank gearbeitet hatte, wurde mir klar, dass ich zwar weiterhin die IT liebte, aber mein Herz schlug für den Vertrieb und den persönlichen Kundenkontakt. Mein Vater und sein Partner sind exzellente IT-Experten, jedoch fehlte ihnen jemand im Vertrieb. Nach meiner Zeit im Bankwesen und meiner gewonnenen Vertriebserfahrung brannte ich darauf, einzusteigen. 2015 war einfach der perfekte Zeitpunkt.
Erkläre mir bitte nochmals genau, was ihr anbietet. Für mich alles Technische bitte in Kindersprache (lacht).
Mein Vater und Oli haben anfangs eine proprietäre (geschlossene) Software für das Dokumentenmanagement entwickelt und angeboten. Jedoch erkannten sie bald, dass diese Lösung aufgrund ihrer Abhängigkeiten nicht ihren eigenen und den Anforderungen entsprach, die sich für die Kunden von agorum wünschten. Deshalb entschieden sie sich, auf Open-Source-Komponenten umzusteigen und entwickelten agorum core. Dieses System verwenden wir bis heute.
agorum core ermöglicht es Unternehmen, ihre Dokumente digital zu verwalten, zu organisieren und sicher aufzubewahren. Es automatisiert Prozesse rund um die Dokumentenverarbeitung und ermöglicht es verschiedenen Mitarbeitern, entsprechend ihrer Rolle auf Dokumente zuzugreifen und mit ihnen zu arbeiten. Zusätzlich bietet agorum core verschiedene Module an, die je nach den spezifischen Anforderungen des Unternehmens hinzugefügt werden können. Im Jahr 2008 haben wir außerdem eine Grundversion von agorum core open als Open-Source-Software veröffentlicht, um der Community etwas zurückzugeben. Diese Basis-Version ist weiterhin kostenlos und kann von unserer Webseite heruntergeladen werden.
„Obwohl wir ein kleines Unternehmen sind, sind wir hoch qualifiztiert
und arbeiten auch mit sehr großen Kunden.“
Womit verdient ihr Geld?
Unser Kerngeschäft ist die individuelle Implementierung von der Bezahlversion agorum core pro beim Kunden. Dieses System bietet zahlreiche Zusatzmodule, die vielfältige Anpassungen ermöglichen und mit den Anforderungen der Kunden wachsen können. Es umfasst die vollständige Digitalisierung und Automatisierung von Dokumenten, Archiven und digitalen Postfächern, wobei firmenspezifische Prozesse wie Zugriffs- und Zeichnungsrechte berücksichtigt werden. Obwohl wir ein kleines Unternehmen sind, sind wir hoch qualifiziert und arbeiten auch mit sehr großen Kunden. Außerdem kooperieren wir mit verschiedenen IT-Dienstleistern, die Ihren Kunden mit agorum core pro maßgeschneiderte Lösungen anbieten.
Wie setzt ihr euch gegen den Wettbewerb durch?
Unser Fokus liegt zwar auf Digitalisierung, doch unser Vertrieb steht für Zuhören und Menschlichkeit. Alle unsere Mitarbeiter haben stets die Bedürfnisse und Anforderungen unserer Kunden im Blick. Wir ziehen alle an einem Strang und sehen uns als exklusive Boutique in unserem Bereich, die sich intensiv um die Wünsche und Projekte ihrer Kunden kümmert. Die letzten Jahre waren harte Arbeit, aber jetzt sind wir hervorragend aufgestellt.
„80% der Verbesserungsvorschläge unserer Mitarbeiter setzen wir auch um.“
Wie motiviert ihr eure Mitarbeiter?
Viele arbeiten remote, wir sehen uns nicht täglich. Da ist die Herausforderung einen Zusammenhalt zu bilden besonders groß. Wir kommunizieren einfach regelmäßig. Spezielle Techniken haben wir bei unserer Größe nicht entwickelt, aber wir hören jedem zu und ca. 80% der Verbesserungsvorschläge setzen wir auch um. Einmal im Monat treffen wir uns alle und grillen oder essen zusammen. Dieser persönliche Austausch ist sehr wichtig.
Es ist doch eher eine Männerdomäne, in der du tätig bist. Haben dich die männlichen Kollegen und Kunden gleich akzeptiert?
Ja, es ist tatsächlich noch eine Männerdomäne, aber ich habe bisher keine Probleme erlebt. Ich teile mir die Betreuung meiner beiden Kinder, 7 und 4 Jahre alt, mit meinem selbstständigen Mann. An drei Nachmittagen pro Woche übernimmt er, an zwei Nachmittagen ich. Seit 2018 ist auch meine Schwester in der Firma. Sie ist ebenfalls Mutter, und zeitweise haben wir uns die Vertriebsaufgaben geteilt, wobei es sich um eine Position handelte, die als 1,5 Stellen angesehen werden könnte. Aktuell ist Nina im Projektgeschäft tätig, während ich im Vertrieb bleibe. Unsere Mutter ist die gute Seele in der Firma und arbeitet ebenfalls mit. Wir haben auch viele weitere weibliche Mitarbeiterinnen. Allerdings waren wir bei den agorum-Partnertagen die einzigen Frauen, von Partnerseite kamen nur Männer.
Habt ihr Expansionspläne?
Ja, definitiv. In den letzten Jahren haben wir intensiv an unserem Wachstum gearbeitet und konzentrieren uns nun darauf, unser Partnernetzwerk weiter auszubauen. Wir haben bereits einen Partner in der Schweiz und als nächstes steht Österreich auf unserer Agenda. Unser Ziel ist es, die DACH-Region optimal zu bedienen. Mit unserem enormen Potenzial sind wir zuversichtlich, dieses Ziel zu erreichen.
Liebe Anne, herzlichen Dank für das offene Gespräch. Ich wünsche dir, dass du auch weiterhin den Sales bei agorum erfolgreich rockst!
Danke Hermina, das Gespräch mit dir hat richtig Spaß gemacht. Mein liebster Songs ist übrigens “Auf uns” von Andreas Bourani.
Liebe Rocking Sales Leser, Ihr möchtet mehr über Anne Klein und agorum erfahren?
Dann besucht sie doch gerne hier.
Ihren Song findet ihr übrigens in unserer Spotify-Playlist.
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Hermina Deiana | Public Relations Consultant MarketDialog GmbH
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