Der DIY Digital Expert​

Der DIY Digital Expert

Björn Radde ist Vice President Digital Experience bei T-Systems International. Er ist ein 24/7 100% selfmade digital expert. Ein Schlüsselerlebnis im Jahr 1999 zündete seine Passion für die digitale Welt. Neben seinem erfüllenden Job liebt Björn in seinem Privatleben das, was er auch beruflich macht.

Lieber Björn, wäre deine Bewerbung an der Kunsthochschule erfolgreich verlaufen, wärst du früher oder später wohl trotzdem über Umwege im digital marketing und e-commerce gelandet, oder?

Ich war immer gerne kreativ und wollte Kunst studieren. Leider war ich wohl nicht kreativ genug (lacht), denn ich habe die Aufnahmeprüfung nicht bestanden. Also habe ich Wirtschaftswissenschaften studiert. Während des Studiums habe ich nebenbei zwei Programmierkurse besucht. Ich fand die Thematik so spannend, dass ich in meiner Freizeit weiter selbst ausprobiert und mir alles learning by doing beigebracht habe. Meine Diplomarbeit habe ich zum Thema Web-Design geschrieben und habe mir dafür zum ersten Mal ein Buch bei Amazon bestellt. Als ich es bereits am nächsten Tag in den Händen hielt, war ich begeistert. In diesem Moment war wohl meine Leidenschaft für e-commerce gezündet wie ein Feuerwerk. Ich wusste, dass ich unbedingt in diesem Bereich arbeiten wollte.

Wo begann deine Karriere nach dem Studium?

Zunächst habe ich ein halbes Jahr parallel zur Doktorarbeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Uni gearbeitet. Danach ging es zu Telekom als Head of e-care, Sales & Marketing. Nach zehn Jahren Magenta Cocktails wollte ich etwas Neues machen und bin zu Steigenberger Hotels gewechselt.

“Nach 10 Jahren Magenta Cocktails wollte ich etwas Neues machen.”

Wie hast du Steigenberger von dir überzeugt? Du hattest keine Erfahrung in den Bereichen Tourismus und Hotellerie.

Es war sogar sehr gut, dass ich keiner Hotellerie Erfahrung hatte, denn möglicherweise wäre ich voreingenommen gewesen. Aber ich hatte ausreichend Wissen für digital marketing und e-commerce und darum ging es in meiner Position. Bei der Telekom habe ich einen Teilbereich verantwortet, jetzt war ich für das komplette e-commerce und digital marketing zuständig. Ich habe die Hotellerie aus vielen unterschiedlichen Perspektiven betrachtet und analysiert und so neue Blickwinkel entdeckt und vieles ausprobiert. Das hat sich gelohnt. Mit unseren real time advertisement Kampagnen haben wir aus 1 Euro einen ROI von 30 Euro erwirtschaftet.

Wie hast du dir diese Kenntnisse angeeignet? Hattest du einen Mentor oder ein Vorbild im Bereich digital marketing?

Ich probiere immer alles zunächst selbst aus, um es einschätzen zu können. Als wir die Idee für den Podcast bei T-Systems hatten, habe ich zunächst die Tools dafür herausgesucht und überlegt, wie ich das selbst machen kann. Ich habe gemerkt, dass es unfassbar schwierig ist eine Stunde allein zu reden und es mit einem Gast viel einfacher ist. So versuche ich mir alle benötigten Kenntnisse durch Ausprobieren oder Nachlesen selbst beizubringen. Sobald ich das Projekt gut einschätzen kann, gebe ich es ins Team.

Was war deine nächste Herausforderung?

Der Chief Commercial Officer von Steigenberger gründete ein Start-up und bot mir an es mit aufzubauen. Das war eine großartige Chance, die ich mir nicht entgehen lassen wollte.

“Ich habe kalte Füße bekommen und bin abgesprungen.”

Wie hat deine Familie darauf reagiert?

Meine Eltern fanden es nicht lustig. Meine Frau hat mich ermutigt es zu versuchen, obwohl wir schon zwei Kinder hatten. Ich habe zugesagt und war plötzlich als zweiter Mann im Unternehmen für alles verantwortlich, selbst für das Toilettenpapier. Das war Multitasking auf höchstem Niveau. Wir waren so sehr darauf konzentriert das Produkt zu optimieren, dass wir uns nicht früh genug um die Anschlussfinanzierung gekümmert haben. Die Zeit wurde knapp. Ich habe kalte Füße bekommen und bin abgesprungen, ich musste an meine Familie und meine zwei Kinder denken. Dennoch möchte ich diese Erfahrung nicht missen, denn sie war sehr prägend.

Hattest du nach dieser Erfahrung Lust auf ruhigere berufliche Gewässer?

Ich hatte mich für einen IT-Dienstleister für die Hotellerie entschieden. Als die Firma von einem amerikanischen Unternehmen gekauft wurde, war mein Job mit vielen Reisen nach Washington und Dallas verbunden. Ich spielte in dieser Zeit mit dem Gedanken mit der Familie in die USA zu gehen. Als jedoch von heute auf morgen 1.000 Mitarbeiter von insgesamt 10.000 entlassen wurden, war ich sehr verunsichert. Ich gehe gerne Risiken ein, aber mit zwei Kindern war mir das zu brenzlig. 

Über all die Jahre habe ich mein Netzwerk stetig erweitert und gepflegt. Eines Tages meldete sich ein ehemaliger Kollege von T-Systems und sagte, sie würden jemand suchen, der e-commerce für Cloud kann. Das war der nächste Wechsel. Zuerst war ich für das Marketing des Cloud Bereichs zuständig. Dann hat die damalige CMO vorgeschlagen, dass ich die Verantwortung für ganz T-Systems übernehme. Seit drei Jahren mache ich das gesamte digital marketing von T-Systems.

Was sind konkret deine Aufgaben?

Wir sind verantwortlich für unsere globale Webseite in sehr vielen Sprachen. Wir kümmern uns um unsere Social Media Präsenz, als B2B Company insbesondere LinkedIN und Twitter sowie ein bisschen FB.

Eine wichtige Aufgabe ist das Training der Sales Mannschaft wie sie digital richtig auftreten sollte, um auf LinkedIn als Profis wahrgenommen zu werden. Dazu gehört, wie und was sie am besten posten, wie sie kommunizieren, wie sie sich selbst optimal darstellen.

“Wenn ich mit jemand im B2B Bereich ein Geschäft plane, möchte ich wissen, wer die Person ist.”

Glaubst du, dass sich das Social Selling für Sales Mitarbeiter zu einer Standarddisziplin entwickelt?

Sales Mitarbeiter sollten verstärkt online zu finden sein. Wenn ich mit jemand im B2B Bereich ein Geschäft plane, möchte ich wissen, wer die Person ist. Wenn sie auf Google nicht auffindbar ist und ich dem LinkedIn Profil ebenfalls keinen Expertenstatus entnehmen kann, ist das wenig überzeugend. Ein gutes Profil macht neugierig, schafft Vertrauen und öffnet Türen leichter.

Wie stehst du als digital expert zum Telefonieren oder zu Treffen in real life?

Ich hasse telefonieren. Ich bin den ganzen Tag in virtuellen Talks und habe abends wirklich keine Lust mehr zu telefonieren. Für die erste Kontaktanbahnung und den Aufbau von Vertrauen sehe ich Social Media als Nummer eins. Später im fortgeschrittenen Stadium, wenn es im B2B Bereich um das Closing geht oder darum ein Business nachhaltig aufzubauen, werden Menschen persönlich miteinander sprechen.  

Bist du sicher, dass die meisten Unternehmen bereit sind für deinen Ansatz?

Ja und Nein. Deutsche Telekom und T-Systems sind dafür offen. Zu einem Unternehmensbranding gehört auch, dass Mitarbeiter sich in Netzwerken äußern. Manche Unternehmen, wie zum Beispiel Banken, sind stark reglementiert und dürfen leider keine Aktientipps auf LinkedIn veröffentlichen (lacht). Grundsätzlich wird es in jedem Fall zunehmen, einfach weil es sinnvoll ist.

“Letztendlich kann man posten, was man möchte, aber die Qualität entscheidet, ob es gelesen wird.”

Wie präsentiert man sich optimal auf LinkedIn? Der eine sagt alles ist besser als nichts zu posten. Katzenbilder werden kritisiert, Opfer-Stories werden ebenfalls häufig verbal zerrissen. Es wird Mehrwert gefordert. Kannst du grob skizzieren welcher Content für die LinkedIn Community geeignet ist?

Es ist wie im Büro. Du hast professionelle Präsentationen und anspruchsvolle strategische Meetings und dann gehst du in die Kaffeeküche, wo die Katzenbilder hängen. Wenn du keine Katzenbilder magst, schaust du weg oder gehst nicht mehr in die Kaffeeküche. Wenn jemand bei Fressnapf arbeitet, sieht das anders aus. Da könnten Katzenbilder auch zu seinem Job gehören. Letztendlich kann man posten, was man möchte, aber die Qualität entscheidet, ob es gelesen wird. Es macht in jedem Fall Sinn Mehrwert zu liefern, auch zu Diskussionen anzuregen und Fragen zu stellen. Mein Tipp ist authentisch zu sein, aber nicht zu privat.

Gibt es Content, von dem du dringend abraten würdest?

Ich sage immer postet nichts, was euer Vorgesetzter nicht gutheißen würde, wie zum Beispiel Unternehmensgeheimnisse (lacht). Und postet nichts, was eure Mutter komisch finden würde. Wenn man diese Tipps im Hinterkopf hat, kann man locker posten.

Gibt es nicht ein konkretes Manual für das Posten auf LinkedIn?

Hält sein Buch lachend hoch.

Shame on me, lieber Björn. Ich habe dich gegoogelt, aber dein Buch ist mir entgangen. Growth Hacking LinkedIn von Björn Radde. Ok, dann weiß ich, was ich brauche, und wir können unser Gespräch beenden (lacht). Wann hast du es geschrieben?

Geschrieben habe ich es 2020 und veröffentlicht wurde es im Februar 2021. Im November 2022 ist die zweite Auflage erschienen und im Januar 2023 die englische Übersetzung.

Ist es dein erstes Buch?

Es ist meine zweite Buchveröffentlichung. Das erste war Digital Guest Experience, ein Fachbuch über Digitalisierung in der Hotellerie. Dieses zweite Buch hat mehr Reichweite. Die Verkaufszahlen sind jedoch leider nicht mit Harry Potter zu vergleichen (lacht).

Was sagst du Menschen, die keine Zeit haben für Posts und für LinkedIn. Sich abends nach einem langen Arbeitstag mit Content Produktion zu beschäftigen, setzt voraus, dass man seinen Job mit großer Passion lebt.

Ja, wenn man Dinge mit Leidenschaft macht, dann ist es eine Erfüllung. Man muss abwägen, ob man sich abends lieber die Netflix Serie oder den RTL-Quatsch anschaut oder diese 1-2 Stunden in sich investiert. Das kann ein gutes Buch sein oder ein schöner Content.

“Sonntags sitze ich am Rechner und entwickle Content Ideen für die kommende Woche.”

Also mir fallen tolle Posts nicht in den Schoß und ich kann Menschen verstehen, die sich schwer tun mit dem regelmäßig zu produzierenden Content. Wenn ich dich richtig verstehe, sollten Aktivitäten auf LinkedIn nicht als lästige Ergänzung zum Job, sondern als fester Bestandteil des Arbeitstages integriert und gelebt werden.

Ich habe das Glück, dass ich mein Hobby zum Beruf gemacht habe. Sonntags sitze ich am Rechner und entwickle Content Ideen für die kommende Woche. Ich brauche täglich circa 15 Minuten zum Posten und dann nochmals 15-30 Minuten, um auf die Kommentare zu antworten. Es ist für mich wie Zähneputzen, das mache ich ebenfalls täglich. LinkedIn ist mein Primärkanal, für den ich mir wirklich Mühe gebe. Ich nutze den Content häufig auch für Twitter, manchmal passt es auch für einen meiner fünf Instagram Accounts.

Du hast fünf Instagram Accounts?

Einer ist für digital marketing. Einer ist rein für Spaß und Leidenschaft, da poste ich immer schöne Bilder von meinen Reisen und ich verwende auch Filter, obwohl meine Kinder meckern und sagen es würde fake aussehen. Einer meiner Accounts ist für Food. Ich koche sehr gerne und nehme mir gerade am Wochenende Zeit dafür und richte das Essen sehr schon an. Das ist mein Hobby und es bereitet mir Freude diese schönen Bilder festzuhalten und zu teilen. Ein Kanal ist @beerbjoern, denn ich trinke gerne Bier und mach ein Foto von jedem Bier, das ich mal getrunken habe und poste es. Das ist auch der Kanal mit den meisten Followern.

“Wir können Werbung an die Kontakte ausspielen, die Sales beobachtet.”

Lieber Björn, ich habe dich als Sales Rocker zu diesem Gespräch eingeladen. Welche Visionen hast du für euren Sales Bereich?

Bei T-Systems ist jeder der auf LinkedIn aktiv ist, ein Kontaktpunkt des Unternehmens und verkauft somit auch indirekt. Wenn Mitarbeiter präsent sind, repräsentieren sie Marketing und Sales in einem. Die Verantwortungsbereiche Marketing und Sales müssen in B2B viel enger zusammenarbeiten. Guter Sales verkauft zwar, aber ohne Marketing bekommen sie die Tür nicht auf. Wir müssen diese Symbiose erzielen. 

Unsere Seller nutzen den Sales Navigator und dieser kann connected werden mit der Marketing-Solution von LinkedIn.  D.h. wir können Werbung an die Kontakte ausspielen, die Sales beobachtet. Ich stelle unseren Sellern digitale Applikationen zur Verfügung als zeitgemäßes Sales Material. Damit können sie den Kunden unsere digitalen Produkte in 3D Maps präsentieren und zeigen wie zum Beispiel ein 5G Campus aufgebaut ist. Dennoch arbeiten wir weiter an der Optimierung der Verzahnung.

Wo siehst du die Zukunft des digitalen Marketings?

Ich mache mir viele Gedanken dazu. Wie sieht die Zukunft im Metaverse aus? Triffst du virtuelle Influencer, denen du folgst und kannst dich mit ihnen unterhalten? Angehende Ärzte üben bereits an virtuellen Computertomographien und in Tumorboards können mehrere Ärzte gleichzeitig mit einer 3D Brille den Tumor bis ins kleinste Detail diagnostizieren und Behandlungsmethoden bestimmen. Wann kommen die 3D Tablets, die man ohne Brille nutzen kann? Wie wird es sein, wenn wir keine virtual reality Brille mehr tragen, sondern die augmented reality Brille aufsetzen? Stell dir vor du betrittst einen Fahrstuhl und es wird eine Werbung eingeblendet, die nur du sehen kannst. Werbung wird immer zielgerichteter und digitaler werden, das ist sicher.

Siehst du in dieser Entwicklung nicht auch Gefahren?

Eine Gefahr besteht darin, dass manche Menschen in einer Bubble leben. Und ich sehe die Gefahr der Ausgrenzung aufgrund niedriger Einkommen. Technologische Teilhabe in Form von notwendigen Brillen zum Beispiel muss man sich auch leisten können. Wir haben diese Produkte zu Hause und meine Kinder wachsen ganz selbstverständlich damit auf. Ihre Klassenkameraden kommen damit nicht in Berührung.

Siehst du keine Problematik im Umgang mit unseren Daten?

Wem ich meine Daten gebe, hängt immer davon ab, welcher Benefit sich für mich dahinter verbirgt. Wenn ich Dinge, die mich interessieren nur bekomme, wenn ich Daten hinterlege, dann bin ich dazu eher gewillt. Bedenken hätte ich bei Social Scoring Systemen, wie es sie in China gibt. Deshalb findest du mich nicht auf TikTok.

Lieber Björn, herzlichen Dank für das spannende Gespräch. Zum Schluss wünsche ich mir noch einen Song für unsere MarketDialog Rocking Sales Playlist von dir und bin sehr gespannt auf deinen Musikgeschmack.

Ich mag sehr gerne Rap Musik. Wenn ich jedoch an Rock denke, dann fällt mir das Lied “Renegades” von den XAmbassadors ein. Denn es erinnert mich immer an die Aussage von Steve Jobs: “Here’s to the crazy ones, the misfits, the rebels, the troublemakers, the round pegs in the square holes … because the people who are crazy enough to think that they can change the world, are the ones who do.”

Liebe Rocking Sales Leser, Ihr möchtet mehr über Björn Radde und sein Projekt erfahren? 
Dann besucht ihn doch gerne hier. 
Seinen Song findet ihr übrigens in unserer Spotify-Playlist.
Jetzt reinklicken, stöbern und alle Lieblingslieder unserer Sales-Experten anhören! 
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Ich freue mich auf dich.

Hermina Deiana | Public Relations Consultant MarketDialog GmbH
hermina.deiana@marketdialog.com
+49 (0) 6196-7695-183

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